Genitiv

GenitivDer Genitiv (von lat. casus genetivus — „die Herkunft bezeichnender Fall“), im Deutschen auch Genetiv oder Wesfall (bzw. Wessenfall), ist in der deutschen Grammatik der 2. Fall.
Im Genitiv stehen u.a. Wortgruppen, die ein Besitzverhältnis ausdrücken. In der Wortgruppe die Tür des Hauses steht des Hauses im Genitiv. Mit der Frage „Wessen Tür ist das?“ kann man das Genitivattribut ermitteln. Dieser Gebrauch des Genitivs wird in der lateinischen Grammatik als genetivus possessivus bezeichnet. In der Funktion als Bezeichner von Attributen in dieser possessiven Bedeutung (Possessivgenitiv) kommt der Genitiv im Deutschen am häufigsten vor. In der Universalienforschung wird er deshalb auch als Possessivmarkierung bezeichnet.

Der genetivus possessivus kann durch präpositionale Fügungen mit von ersetzt werden (z. B. die Werke von Goethe). Dies geschieht vor allem in der Umgangssprache. Außerdem kann man mit der Konstruktion mit von die Unbestimmtheit von Pluralausdrücken betonen (eine Mutter von drei Kindern). Stehen mehrere Attribute nebeneinander, werden die Genitiv- und die von-Konstruktionen zur stilistischen Variation benutzt (am Tag von Marias Geburtstag anstatt am Tag des Geburtstags Marias).

Eine weitere Form zur Anzeige des Besitzverhältnisses, die aber nur in der Umgangssprache und in Dialekten genutzt wird, ist eine Form mit nachgestelltem besitzanzeigenden Pronomen im Dativ: uns’rer Oma ihr klein’ Häuschen, dem Vater sein Auto. Sie wird heute als unfein empfunden und in der Standardsprache vermieden.

Die Abtrennung des s durch Apostroph beim Genitiv ist im Deutschen nicht erforderlich. Dennoch geschieht dies immer häufiger („Peter’s Pilsbar“ statt „Peters Pilsbar“) und ist nach neuer Rechtschreibung zulässig. Zur Begründung wird angeführt, damit könne die Grundform eines Namens verdeutlicht werden. Dennoch wird diese Schreibweise von vielen weiterhin als überflüssig und falsch empfunden. Sie überträgt sich mittlerweile auch auf andere s am Wortende, vor allem beim Plural („Apartment’s“, „mittwoch’s frische Austern“). Der zunehmende fehlerhafte Gebrauch des Apostrophs ist jedoch nicht nur auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, wie man in der englischen Wikipedia nachlesen kann. Dieses Phänomen wird als Apostrophitis bezeichnet.

Daneben werden in der lateinischen Grammatik folgende weitere Funktionen des Genitivs unterschieden, die auch in der deutschen Sprache vorkommen:

-genetivus qualitatis (Genitiv der Eigenschaft): Ticket zweiter Klasse, Tal der Tränen, des Lebens ungeteilte Freude

-genetivus partitivus (Genitiv des Teilens): die andere Seite der Medaille

-genetivus subiectivus (Genitiv des Subjekts): Rat des Freundes

-genetivus obiectivus (Genitiv des Objekts): Beachtung der Gesetze

-genetivus possesivus (Besitzverhältnisse): Vaters Hut / der Hut des
Vaters liegt auf dem Tisch

-genetivus explicativus / definitivus ( # Ist-wie-Beziehung # / # Ist-Beziehung # ): Ein Strahl der Hoffnung kam über uns. Die Strafe der Verbannung wurde ausgesprochen.

-genetivus hebraicus: Marcel Reich-Ranicki spricht über das Buch der Bücher

-genetivus auctoris: Der Komponist dieser Symphonie ist L. v. Beethoven.

In verschiedenen Sprachen gibt es unterschiedliche Anwendungen des Genitivs. So erfordern beispielsweise in der russischen Sprache die Zahlwörter два, три und четыре = zwei, drei, vier den Genitiv. Мне два года. – Ich bin zwei Jahre alt. Zahlen bis zwanzig fordern den Genitiv Mehrzahl, einundzwanzig den Nominativ, weil die Zahl auf eins endet, zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig wieder den Genitiv Einzahl (Мне двадцать два года. – Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt.) Dann folgt wieder Genitiv Mehrzahl und so weiter.


In der deutschen Sprache wird der Genitiv in seiner Funktion als Genitiv des Objekts von zahlreichen – manchen Sprachbenutzern heute eher altmodisch anmutenden – Verben verlangt. Beispiele für solche Verben sind: gedenken, bedürfen, ermangeln, harren, spotten.

Weitere Verben fordern neben dem Genitiv auch ein Reflexiv, das im Akkusativ steht: sich erinnern, sich erfreuen, sich bedienen, sich rühmen.

Satzbeispiele: Sie gedenken der Freunde. Sie erinnert sich ihres letzten Urlaubs. Er erfreut sich bester Gesundheit. Ich bediene mich des Genitivs.

Anstelle dieser veraltet wirkenden Formulierungen wählt man heute eher eine Wortgruppe mit einer Präposition. Sie erinnert sich an ihren letzten Urlaub.

Bei vielen Verben aus der Rechts- und Gerichtssprache handelt es sich um Verben, deren Satzbauplan neben dem Genitiv den Akkusativ fordert. Beispiele: jmdn. einer Sache anklagen, beschuldigen, überführen; aber auch jmdn. einer Sache berauben, entheben, verweisen.

Einige deutsche Präpositionen, die heute vor allem mündlich als eher veraltet empfunden werden oder einem geschraubten Kanzleistil entstammen, fordern ebenfalls den Genitiv beispielsweise: abseits, abzüglich, anfangs, angesichts, anstatt, anstelle, aufgrund, ausgangs, ausschließlich, außerhalb, auswärts, ausweislich, bar, begierig, behufs, beiderseitig, beiderseits, beidseits, bergseits, betreffs, bezüglich, binnen, dank (auch mit Dativ), diesseits, eingangs, eingedenk, einschließlich, einwärts, ende, entlang, exklusive, fähig, im Falle, fernab, frei, froh, fündig, gedenk, gewahr, gewärtig, gewiss, gewohnt, habhaft, halber, hinsichtlich, hinsichts, infolge, inklusive, inmitten, innerhalb, innert, inwärts, jenseits, kraft, kundig, längs, längsseits, laut, ledig, linkerhand, linkerseits, links, linksseitig, mächtig, mangels, mithilfe, mittels, müde, nähe, namens, nördlich, nordöstlich, nordwestlich, ob (z.B.: ob des erlittenen Verlustes), oberhalb, östlich, qua (z.B.: qua Gesetz), im Rahmen, rechterhand, rechts, rechtsseitig, satt, seitab, seitwärts, schuldig, seitens, seitlich, sicher, statt, an … statt, südlich, südöstlich, südwestlich, teilhaft, teilhaftig, trotz (auch mit Dativ), überdrüssig, um … willen, unbenommen, unbeschadet, ungeachtet, ungedenk, unkund, unkundig, unteilhaft, unterhalb, unweit, unwert, unwürdig, aus Ursachen, verdächtig, verlustig, vermittels, vermöge, voll, voller, vonseiten, vorbehaltlich, während, wegen, weitab, wert, westlich, würdig, zeit, zufolge, zugunsten, zulasten, zuseiten, zuungunsten, zuzüglich, zwecks.

Bei gängigen Präpositionen wie z.B. wegen oder während wird der Genitiv in der Umgangssprache zunehmend durch den Dativ ersetzt, was humorvoll mit dem Satz »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« umschrieben wird. Anderseits ist neuerdings auch die umgekehrte Entwicklung zu beobachten. Der Beamtensprache entwachsen aus einigen Nomen neu gebildete Präpositionen, etwa „seitens“. Im Bemühen um einen besonders gehobenen und offiziellen Sprachstil werden in Rundfunk und Presse gelegentlich Präpositionen, die in der Hochsprache unangefochten den Dativ verlangen (entsprechend, entgegen, gemäß), gelegentlich mit dem Genitiv verbunden, was zu dem anderen Wahlspruch »Rettet dem Dativ« geführt hat.


Ungeachtet solcher Tendenzen wird der Genitiv heutzutage bei Präpositionen immer dann durch den Dativ ersetzt, wenn ein Nomen im Plural weder durch einen Artikel noch ein Adjektiv mit Fallendungen begleitet wird, das heißt, wenn am Nomen allein nicht zu erkennen ist, dass es im Genitiv steht. So ist im Ausdruck „wegen Hagels“ der Genitiv möglich (das -s in Hagels lässt den Genitiv deutlich werden), im Ausdruck „wegen Hagelschauern“ muss heute der Dativ stehen, da der Genitiv im Plural am Nomen nicht markiert werden kann.


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Hervorzuheben ist noch, dass der Genitiv keinen unmittelbaren Pradikatsbezug haben muss. D.h., dass die sprachlichen Zusammenhänge, die mit Hilfe von Genitivkontruktionen ausgedrückt werden, sich auch ohne explizite Erwähnung des Prädikates verdeutlichen, wie es z.B an den Fügungen

die Segel des Schiffes

der Bauch des Architekten

klar wird. Das ist ein klares Abgrenzungsmerkmal gegenüber Dativ und Akkusativ, bei welchen im Allgemeinen auf das Verb zur Kenntlichmachung der Aussageabsicht nicht verzichtet werden kann.


Bsw. sind

Ich dich

Fenster dem Auto

unvollständig und erschließen erst bei Hinzufügung von Prädikaten

Ich liebe dich

Das Fenster gehört zu dem Auto

ihren Sinn.


Ausnahmen wären, v.a. in der lyrischen Sprache, (sehr verbreitet im Russischen) appellative Anreden im Dativ


Dem Freunde!

Вам!



Beispiele

Frage: „Wessen Blätter liegen auf dem Boden?“

Antwort: „Die Blätter des Baums!“
Antwort: „Die Blätter des Baumes!“



Frage: „Wessen Geräusche sind zu hören?“
Antwort: „Die Geräusche des Autos!“



Frage: „Wessen Mobiltelefon klingelt denn da?“
Antwort: „Marias Handy !“



Frage: „Wessen Uhr ist defekt?“
Antwort: „Max # Uhr!“



Besonderheiten

Zur Kennzeichnung des Genitivs wird entweder ein Apostroph verwendet, wenn kein Artikel bei einem Wort steht, das mit einem stimmlosen S-Laut endet. Endungen können z.B. Folgende sein: ce (in englischen Namen), s, ss, ß, tz, z und x. Oder man bedient sich bei deutschen oder deutsch klingenden Namen der Endung -ens. Dies kommt beispielsweise bei Eigennamen, wie Paris und Linux, vor.
Bei festen Wendungen mit Namen wird der Genitiv oft durch die Endung "-sche" in der entsprechenden Form ersetzt: statt Verners Gesetz heißt es: vernersches Gesetz oder Verner’sches Gesetz.
Sollen stilistisch unglückliche Genitive auf Eigennamen mit einem abschließenden s-Laut wie „Klaus # Freund Thomas“ vermieden werden, kann man auf die veraltende Genitivbildung mit -ens zurückgreifen: „Klausens Freund Thomas“. Ferner ist in diesem Fall auch die Umschreibung mit „von“ möglich (analytische Formbildung), aber standardsprachlich weniger „vornehm“.


Beispiele

Frage: „Wessen Uhr ist defekt?“
Antwort: „Hansens Uhr!“
oder Antwort: „Hans’ Uhr!“

Frage: „Von wessen Wunderland wird erzählt?“
Antwort: „Von Alice’ Wunderland!“


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